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Nähe schafft Distanz und Distanz schafft Nähe– Ein Paradox in der Paartherapie

In der Paartherapie stoßen wir immer wieder auf scheinbar widersprüchliche Dynamiken. Eine davon lautet: Nähe schafft Distanz und Distanz schafft Nähe. Was zunächst paradox klingt, offenbart bei genauerem Hinsehen tiefere Wahrheiten über Nähe, Autonomie und das Gleichgewicht in Beziehungen.

Wenn Nähe Distanz schafft

Es gibt Momente, in denen tiefe Liebe dazu führt, dass sich Partner voneinander entfernen – emotional oder räumlich. Warum passiert das?

1. Die Angst, sich selbst zu verlieren:
Manche Menschen haben das Gefühl, sich in einer engen Beziehung aufzulösen. Je mehr sie lieben, desto mehr wächst die Sorge, die eigene Identität zu verlieren. Aus Selbstschutz entsteht Rückzug.

Übung: „Ich & Wir“
Nimm dir Zeit, um auf zwei Seiten eines Blattes zu notieren:

  • Was macht mich als Individuum aus (Meine Interessen, Ziele, Werte)?

  • Was bedeutet „Wir“ in unserer Beziehung (Was teilen wir, was gibt uns Halt)?
    Danach gemeinsam besprechen – ohne Bewertung. Ziel: Verständnis für den Wunsch nach Selbstwahrung.

2. Das Bedürfnis nach Freiheit:
Liebe bringt Verantwortung mit sich. In einer tiefen Bindung fühlen sich manche Menschen emotional gefordert – sie sehnen sich nach Luft zum Atmen. Die Liebe ist da, aber sie erdrückt. Distanz wird zur Rettung.

Übung: „Freiraum-Tage“
Plant gezielt einzelne Tage im Monat, an denen jede*r seinen/ihren eigenen Interessen nachgeht – bewusst, ohne schlechtes Gewissen. Danach: Zeit für Austausch. Wie habt ihr euch dabei gefühlt? Hat euch das gestärkt?

3. Der Wunsch, Konflikten auszuweichen:
In einer liebevollen Beziehung schmerzt jeder Streit mehr. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden, wählen manche Paare unbewusst den Weg der Distanz. Die Liebe bleibt – doch sie wird leise, um nicht zu verletzen.

Übung: „15 Minuten Ehrlichsein“
Einmal pro Woche: Jede*r bekommt 7–8 Minuten ungestörte Sprechzeit. Keine Unterbrechung, kein Widerspruch – nur aktives Zuhören. Danach: Fragen stellen, keine Diskussion. So wird Nähe möglich – trotz Konfliktpotenzial.

Wenn Distanz Liebe schafft

Auf der anderen Seite erleben viele Paare, dass gerade durch etwas Abstand neue Nähe entsteht.

1. Raum für Sehnsucht:
Distanz kann die Sehnsucht wecken – ein Gefühl, das in langjährigen Beziehungen oft verblasst. Wenn wir einander vermissen, wächst die Wertschätzung für das, was wir haben.

Übung: „Brief der Sehnsucht“
Schreibt euch (analog!) jeweils einen kurzen Brief darüber, was ihr am anderen vermisst oder was euch in Momenten der Distanz bewusst wird. Dann tauscht ihr diese Briefe aus – ohne sofort darüber zu sprechen. Wirkt oft tiefer als viele Gespräche.

2. Rückkehr zur eigenen Mitte:
Zeit für sich selbst hilft, wieder in Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen zu kommen. Wer gut bei sich ist, kann auch besser für den anderen da sein. So wird Distanz zur Quelle von emotionaler Reife und Verbundenheit.

Übung: „Ich-Zeit planen“
Jede Woche bewusst Zeit für sich selbst blockieren – 1–2 Stunden ohne Partner*in, ohne Schuldgefühle. Ziel: Kraft tanken, Gedanken sortieren, bei sich ankommen. Danach: kleine Geste der Rückkehr (z. B. gemeinsames Abendessen oder Spaziergang).

3. Die Chance, Beziehung bewusst zu gestalten:
Ein kleiner Abstand – sei es durch eine Auszeit, einen Rückzug oder einfach mehr Eigenzeit – kann Klarheit bringen. Was will ich wirklich? Was schätze ich am anderen? Aus dieser Klarheit entsteht oft neue Tiefe.

Übung: „WIR-Zukunftsreise“
Setzt euch gemeinsam hin und beantwortet Fragen wie: Wie wollen wir in 1 Jahr als Paar leben? Welche Gewohnheiten wollen wir fördern? – Visualisiert das Ganze als Mindmap oder Visionboard. Es geht nicht um Kontrolle, sondern um bewusste Ausrichtung.

Balance statt Schwarz-Weiß

In der Paartherapie geht es nicht darum, Nähe oder Distanz als richtig oder falsch zu bewerten. Vielmehr laden wir Paare ein, beide Pole zu erkunden: Wie viel Nähe tut euch gut? Wie viel Distanz braucht ihr, um euch nicht zu verlieren?

Die Kunst liegt darin, eine dynamische Balance zu finden – eine Beziehung, in der Nähe nicht erdrückt und Distanz nicht entfremdet.

Fragen zur Selbstreflexion

  • Wann fühle ich mich meinem Partner wirklich nah?

  • Wann wünsche ich mir mehr Raum – und warum?

  • Habe ich Angst, durch Nähe verletzlich zu werden?

  • Fühle ich mich durch Distanz sicherer – oder einsamer?

Fazit

Nähe schafft Distanz und Distanz schafft Nähe– dieser Satz ist kein Widerspruch, sondern eine Einladung, die Bewegungen der Beziehung bewusster wahrzunehmen. In einer gesunden Partnerschaft dürfen Nähe und Distanz nebeneinander bestehen. Sie sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer tiefen, lebendigen Verbindung.

🔍 Selbsttest: Nähe oder Distanz – Wo stehst du in deiner Beziehung?

Kreuze bei jeder Aussage an, ob sie auf dich zutrifft oder nicht.

AussageTrifft zu ✅Trifft nicht zu ❌
Ich genieße intensive Zeit mit meinem Partner/meiner Partnerin, brauche danach aber auch wieder Raum für mich.  
Wenn es in unserer Beziehung zu eng wird, habe ich das Bedürfnis, mich zurückzuziehen.  
Ich fühle mich schnell unter Druck gesetzt, wenn mein Partner/meine Partnerin sehr viel Nähe sucht.  
Ich finde, dass eine kleine Auszeit oder räumliche Distanz manchmal Wunder für unsere Beziehung bewirkt.  
Ich habe manchmal Angst, mich selbst zu verlieren, wenn ich zu sehr verschmelze.  
Wenn wir getrennt sind (z. B. durch Reisen oder Alltag), merke ich, wie wichtig mir unser Zusammensein ist.  
Ich finde es schwer, meinem Bedürfnis nach Distanz Raum zu geben, ohne Schuldgefühle.  
Ich wünsche mir, meine Partnerin würde mir öfter mehr Nähe oder mehr Freiraum zugestehen.  
Ich fühle mich sicher, wenn ich weiß, dass ich auch alleine sein darf, ohne dass es die Beziehung gefährdet.  
Ich wünsche mir manchmal mehr Klarheit darüber, wie viel Nähe oder Distanz uns beiden gut tut.  

🧭 Auswertung

Zähle, wie oft du „Trifft zu“ angekreuzt hast:

0–3 Punkte:
Du lebst aktuell eher in einer sehr engen Verbindung oder suchst starke Nähe. Vielleicht fällt es dir schwer, Grenzen zu setzen oder Distanz zuzulassen. Eine Reflexion über eigene Bedürfnisse könnte dir guttun.

4–7 Punkte:
Du bewegst dich in einem mittleren Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz. Du erkennst, dass beides wichtig ist, suchst aber vielleicht noch nach einer ausgewogenen Balance.

8–10 Punkte:
Du hast ein gutes Gespür für dein Bedürfnis nach Nähe und Freiraum – und reflektierst bewusst, wie sich das auf deine Beziehung auswirkt. Wichtig: Austausch mit deinem/deiner Partner*in darüber kann diese Balance noch stärken.

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